Bau des Monats
Alterswohnungen Bäumliweg
Mit klugen, spannenden Interventionen haben Pascal Wassmann Architekten zwei Gebäude mit Alterswohnungen in Riehen überzeugend ins Heute transferiert und dabei die architektonischen Qualitäten aus den Sechzigerjahren konsequent weitergeführt.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Die öffentlich-rechtliche Anstalt «Landpfrundhaus» hat sich über die Zeit vom Armenhaus der Gemeinde zum selbstverwalteten Anbieter von günstigen Alterswohnungen entwickelt. 1967 wurden, als Erweiterung dieses Angebots, die Wohnbauten am Bäumliweg nach den Plänen der Architekten René und Hugo Toffol fertiggestellt. Der Zugang beider Gebäudeflügel fand ursprünglich über einen flachen Mittelbau statt, der mittels einer einladenden Treppe die Bewohner und Besucher von der Strasse abholte und sie über eine Veranda in einen grossen Eingangs- und Aufenthaltsraum mit starkem Bezug zum Garten führte. 1987 wurde in diesem Mittelteil ein Lift eingebaut, welcher beide Gebäudeflügel behindertengerecht erschloss. Die Grosszügigkeit und der Ausdruck der ursprünglichen Architektur gingen dabei verloren.
Nach über 50 Jahren Lebensdauer entschied sich die Bauherrschaft für eine Gesamterneuerung und schrieb 2019 einen offenen Projektwettbewerb aus. Die Wohnungsgrundrisse sollten an die heutigen Bedürfnisse angepasst werden. Das Haus sollte durchgehend – vom Eingang bis zu den Bädern – für Personen im Rollstuhl zugänglich und gut nutzbar sein. Die Gebäudehülle musste energetisch ertüchtigt und die Haustechnik erneuert werden. Statisch musste die Längsaussteifung für den Erdbebenfall nachgewiesen werden. Ausserdem sollte die Zugänglichkeit zum hangseitigen Garten verbessert und die Umgebung insgesamt neu gestaltet werden.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Die Bauherrschaft hatte sich die Frage – Umbau oder Neubau – vor dem Wettbewerb gestellt und sich für den Umbau entschieden. Einerseits war das Grundstück bereits sehr gut ausgenutzt, andererseits versprach sich die Bauherrschaft geringere Baukosten dank des Erhalts des Rohbaus. Den Entscheid konnten wir gut nachvollziehen, denn die Bausubstanz war intakt. Da sich die Nutzung mit kleinen Wohnungen für ältere Menschen nicht geändert hat, funktioniert auf dem länglichen Grundstück die Laubengangtypologie nach wie vor.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Das bestehende Gebäude ist in seinem Ursprung von hoher Qualität und ein schönes Beispiel für die Architektur der Sechzigerjahre. Es weist eine klare und regelmässige Schottenstruktur auf und ist zu einem hohen Grad aus vorfabrizierten Betonelementen zusammengefügt. Vorfabriziert sind nicht nur die Fassadenelemente, sondern auch die 5 cm dicken Deckenplatten, welche über die Schotten gelegt und überbetoniert wurden. Form und Fugenbild der Elemente prägen den Ausdruck des Gebäudes, an dem beim Umbau festgehalten wurde. Die Schotten gliedern das Gebäude im Grundriss, sodass die Bäder, Loggien, Türen und Fenster im Rhythmus der Tragstruktur in die Wohnungen eingefügt wurden.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Das Gebäude wurde mehrheitlich bis auf den Rohbau zurückgebaut. Die Ausnahme bildeten die Fassadenelemente, die Treppenhäuser sowie die Kellerfenster, wobei die Türen der Kellerabteile ausgebaut, instandgesetzt und wiederverwendet wurden. Der Dämmperimeter wurde neu festgelegt und gliedert sich in die drei Bereiche Wohnungen Nord, Saal und Wohnungen Süd. Bei den Fassadenelementen wurde die Dämmung innenseitig angebracht, bei den verputzten Oberflächen, je nach Platzbedarf, innen oder aussen. Die Haustechnikinstallationen wurden komplett neu ausgeführt. Auf eine kontrollierte Lüftung wurde aus Platz- und Kostengründen verzichtet. Statt Heizkörper verfügen die Wohnungen nun über eine Bodenheizung. Der Fernwärmeanschluss blieb bestehen, die Technikzentrale wurde vollständig neu ausgestattet. Die Schlitze der Betonelemente wurden zur Absturzsicherung aufgefüllt, eine Vertiefung bleibt sichtbar. Im Garten wurden die Brüstungsbänder des Laubengangs aufgeschnitten, um mit neuen Treppenstufen den Gartenzugang herzustellen. Die Narbe des rückgebauten Liftturms, welcher ab Ende der Achtzigerjahren die Eingangssituation verunstaltete, wurde mit neuen Betonelementen und Aluminiumfenstern geheilt.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Planerisch war es sicherlich eine grosse Herausforderung, zeitgemässe Alterswohnungen in die bestehende, fünfzigjährige Schottenstruktur einzupassen und mit behindertengerechten Bädern und gut möblierbaren Loggien auszustatten. Ausserdem konnte den gleichzeitigen Wünschen eines grossen Saals und eines behindertengerechten Eingangs nur durch das Verlegen des Zugangs ins Tiefparterre gerecht werden. Der anfänglich als etwas unattraktiv wahrgenommene Eingang stellt sich nun mit seinem gedeckten und windgeschützten Vorbereich als grossen Mehrwert dar, zumal auch die Veloräume direkt daran angebunden sind.
Während der Ausführung war die teilweise Ungewissheit über den Zustand der bestehenden Bausubstanz sowie die über die Jahre entstandene Verformung des Gebäudes eine Herausforderung. Die Instandsetzungsarbeiten der bestehenden Bausubstanz waren aufwendiger als gedacht. So musste beispielsweise jede Heizleitung, welche durch die bestehende Betondecke ging, aus Gründen des Schall- und Brandschutzes sauber herausgespitzt und das Loch anschliessend zubetoniert werden.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Die klimapolitische Forderung, möglichst umzubauen statt zu ersetzen, bedingt eine erhöhte Akzeptanz früherer Baustile. Zeitgenössische, stilistische Vorlieben oder Moden rücken in den Hintergrund.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Nach dem Wettbewerb wurde direkt mit dem Vorprojekt gestartet.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
Bereits auf den Wettbewerbsplänen war die Maison de verre in Paris von Pierre Chareau abgebildet. Die grosse «Glaswand» zwischen Wohnzimmer und Laubengang erzielt eine gute Belichtung und atmosphärische Stimmung im Innenraum, ohne Einsicht zu gewähren und damit die Privatheit zu opfern. Die Unités d’habitation in Berlin und Marseille von Le Corbusier führen die konsequente Trennung und den Kontrast von den sandgrauen Betonelementen an der Aussenseite der Fassade und dem sehr heiteren Farbspiel in der Tiefe der Fassadenöffnungen beeindruckend vor. Beim Einfamilienhaus in Azmoos verleiht Peter Märkli der Leichtigkeit und Weichheit der verputzten Aussendämmung selbstironisch Ausdruck, indem er sie mit einem karierten Farbmuster bemalt und so aus der Wand ein Gewand macht.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Grundsätzlich nicht viel, vielleicht an der Strasse noch ein oder zwei Bäume mehr pflanzen. Aber das kann man ja immer noch.
Kennwerte der Alterswohnungen Bäumliweg
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m³ | 6'318 | 6'456 |
Geschossfläche (GF), m² | 2'257 | 2'306 |
Hauptnutzfläche (HNF), m² | 1'224 | 1'182 |
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | 22 | 20 |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 390'639 | |
BKP 2 Gebäude | 6'329'642 | |
BKP 4 Umgebung | 176'743 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 382'476 | |
BKP 9 Ausstattung | 39'755 | |
BKP 1-9, CHF | 7'319'255 | |
BKP 2, CHF/m³ GV | 980 | |
BKP 2, CHF/m² HNF | 5'360 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 316'480 | |
BKP 1-9, CHF/m³ GV | 1'130 | |
BKP 1-9, CHF/m² HNF | 6'190 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 365'960 | |
Energiebezugsfläche EBF, m² | 1'340 | 1'436 |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a | 77.5 | 53.2 |
Grenzwert Qh,li für Umbauten, kWh/m²a | 55.0 | 55.0 |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes | 141 | 97 |
Energieerzeugung | Fernwärme | Fernwärme |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV, SK, Umweltwärme), kWh/m²a | 0 | 21.5 |
Art der erneuerbaren Energie | Photovoltaik | |
Lüftungskonzept: | ||
Luftschallschutz Decke Di, dB (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | 56.0 | 56.0 |
Trittschallpegel Boden L', dB (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | 63.0 | 45.0 |
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018 | 30% | 60% |
nach welcher Norm berechnet? | Merkblatt SIA 2018 | SIA 269/8 |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | Nein | Ja |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | Nein | Ja |
Eckdaten
Bauwerkname | Alterswohnungen Bäumliweg, Riehen |
Ort | Bäumliweg 30 4125 Riehen |
Auftragsart | Offener Wettbewerb |
Jahr der Fertigstellung | 2022 |
Baujahr Bestand | 1967 (Architektur: René und Hugo Toffol) |
Bauweise | Massivbauweise |
Bauherrschaft | Landpfrundhaus Riehen Bettingen, Riehen |
Architektur | Pascal Wassmann Architekten GmbH, Zürich Yann Junod, Marina Esguerra, Pascal Wassmann |
Bauadministration | Meili Partner GmbH, Zürich Sebastian Veit, Gabriela Petermann, Andreas Meili |
Fachplaner | alsina fernández landschaft, Zürich (Landschaftsarchitektur) Schwarber Staub Bauingenieure AG, Zürich (Statik) Schmutz+Partner AG, Basel (Sanitärplanung und Fachkoordination) SF Projects GmbH, Aargau (Heizungs- und Lüftungsplanung) Elprom Partner AG, Muttenz (Elektroplanung) |
Spezialisten | GS Bauphysik & Akustik GmbH, Basel (Bauphysik) Gartenmann Engineering AG, Basel (Brandschutz) Geologiebüro Ryser GmbH, Riehen (Geologie) |