Bau des Monats 07/2022
Eichweid
Ressegatti Thalmann Architektinnen zeigen mit der Totalsanierung des Mehrfamilienhauses Eichweid in Wädenswil, dass Grosszügigkeit auch ohne Zusammenlegung von Wohnungen möglich ist.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Das Gebäude aus den 60er Jahren musste saniert werden, denn es entsprach in vielerlei Hinsicht nicht mehr den heutigen Erfordernissen. Es gab unterschiedliche Wärmebrücken, die Grundrisse waren ungünstig und sehr knapp und sowohl die Haustechnik als auch die Oberflächen mussten erneuert werden.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Im Bezug auf die Kosten aber auch aufgrund der vielen Schwachstellen des Bestandes wurde ein Abbruch diskutiert. Das Gebäude, das ursprünglich als Teil einer Arealüberbauung erstellt und später abparzelliert wurde, hätte aber neu städtebaulich und ausnützungstechnisch ungünstige Abstände einhalten müssen. Bei einem Neubau hätten zwei Wohnungen weniger erstellt werden können. Diese ökonomischen aber auch ökologische und sentimentale Aspekte haben zum Umbau bewogen.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben
Die Rohbausubstanz war gut, jedoch sehr knapp bemessen. An verschiedenen Orten mussten darum Betonunterzüge und -stützen eingebaut werden, um Wände zu entfernen und so die knappen Grundrisse grosszügiger zu gestalten. Statisch wäre hierfür Stahl als Material auch möglich gewesen. Wir wünschten aber die Verbindung von Innen und Aussen, zur Loggia aus Beton, sowie eine Reminiszenz an die heute nicht mehr sichtbare Betonstruktur der Bestandsfassade. Die Betonunterzüge und Stützen lassen die Zimmereinteilung des Bestandes erkennbar bleiben. Statt zum Teil enge Kammern definieren sie heute aber Zonen in grosszügigen Räumen. So bleibt der Bestand trotz Totalsanierung lesbar und macht die Wohnungen vielseitig. Aus Beton ist auch die Loggia auf der Südseite, die auf die umliegenden Häuser, ehemals eine Überbauung und immer noch ein Ensemble mit noch sichtbaren Betonstrukturen der Fassade, reagiert. Sie erweitert die Wohnungen mit einem grosszügigen Aussenraum und gibt den zuvor nur zum See ausgerichteten Wohnräumen eine zweite Richtung. Ein französisches Fenster auf der Nordseite macht im Sommer den gesamten Wohn- zum Aussenraum. In den grossen 4-Zimmerwohnungen sind die diagonalen Beziehungen wichtig. Die Diagonalität war im Bestand kein explizites Thema. Dieses hat sich durch das Umdrehen des Grundrisses sowie zusätzliche Öffnungen verstärkt und artikuliert. Die kleinen Wohnungen gewinnen durch zwei mögliche Wege zwischen Wohn- und Schlafzimmer an Grosszügigkeit. Der Bestand hat vieles vorgegeben, einiges verunmöglicht und das Projekt vor allem reichhaltiger gemacht.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Die Eingriffstiefe war hoch. Die alten Loggien wurden in die Gebäudehülle einbezogen und durch die Betonstruktur im Süden ersetzt. Die Fassade wurde mit einer Aussenwärmedämmung versehen. Um die Lage der Fenster beizubehalten und schiessschartenartige Fenster zu verhindern wurde die Fensterebene nach Aussen versetzt. Dies bedingte Abbrucharbeiten im Sturz-, im Brüstungs- und im Leibungsbereich. Durch die tiefgreifende Veränderung der Grundrisse und die dadurch bedingten Abbrüche wurden im Innern die Oberflächen mehrheitlich ersetzt.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Den Wohnungen trotz begrenzter Grundfläche eine Grosszügigkeit und neue Bezüge zu verleihen. Es galt dem vormals miefig wirkenden Gebäude einen neuen Ausdruck zu verleihen und gleichzeitig mit dem Eingriff die Architektur der 60er Jahre nicht vollkommen zu übertünchen.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Die knapp bemessenen Betondecken haben bei statischen Eingriffen spezifische Massnahmen gefordert. Es wurden im Bereich der ehemaligen Loggien Unterzüge notwendig, die innerhalb des Raumes vom Auge auf Anhieb nicht verstanden werden. Es zeigte sich jedoch, dass diese zusätzlichen Bauteile den kargen Wohnungen gut tun und sich daraus eine räumliche Ornamentik mit leicht surrealem Aspekt ergeben. Der Umbau liess uns Situationen generieren, die wir in einem Neubau nie in Betracht gezogen hätten.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Verschiedene Szenarien wurden geprüft und mit der Gemeinde abgesprochen. Die langjährigen MieterInnen — einige wohnten schon seit der Erstellung im Haus — wurden zu einem sehr frühen Zeitraum informiert. Viel Zeit wurde auch darin investiert, ein passendes, lokales und sehr kompetentes Baumanagementbüro zu suchen.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
An Hermann Czechs Brunnengasse interessierte uns der Umgang mit der Variation und dem aufbauenden Entwurfsprinzip. So sah Czech für die Wohnungen der Brunnengasse eine ausbaubare Struktur vor. Die Bewohner erhielten die Möglichkeit, die Grundrisse und sogar die Fassaden je nach Bedürfnis zu wählen und nahmen am partizipatorischen Prozess teil. Die Architektur erfuhr durch die Entscheide der Bauherrschaft eine Vielfalt und spezielle Situationen, die bei einem geplanten Neubau ungewöhnlich sind. Im vorgegebenen Rahmen beabsichtigte Czech durch den Einbezug des Zufalls eine Irritation des Gängigen. Auch uns interessierten die Situationen, welche nur in einem aufbauenden Entwurf, wie es der Umbau ist, vorkommen. Die Unterzüge, welche die ehemaligen Loggien kennzeichnen, würden in einem Neubau nicht geplant werden, ergeben aber eine eigene Raumsequenz und durch die Irritation eine Spannung.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Aufgrund der PGB-Revision von 1992 müssen die Flächen der Dachgeschosse nicht mehr zu den Vollgeschossflächen zählen. Das Mehrfamilienhaus hätte um zwei kleine Wohnungen erweitert werden können. Dies hätte den Proportionen des Gebäudes gut getan. Zudem hat man vom Dach des Gebäudes einen praktisch unverbauten Seeblick. Dieses Potential wurde aus Kostengründen nicht ausgeschöpft. Dies hätte man noch einmal überdenken müssen. Möglich gewesen wäre auch eine allgemeine Dachterrasse oder private Dachgärten. Vielleicht wird das Gebäude später noch einmal umgebaut?
Kennwerte MFH Eichweid
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV) | 2'892 m³ | 3'292 m³ |
Geschossfläche (GF) | 1'076 m² | 1'175 m² |
Hauptnutzfläche (HNF) | 695 m² | 759 m² |
Funktionale Einheiten (FE) | 9 Stk. | 9 Stk. |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 169'372 | |
BKP 2 Gebäude | 2'528'049 | |
BKP 4 Umgebung | 55'000 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 17'882 | |
BKP 9 Ausstattung | 0 | |
BKP 1-9, CHF | 2'770'303 | |
BKP 2, CHF/m³ GV | 770 | |
BKP 2, CHF/m² HNF | 3'330 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 280'890 | |
BKP 1-9, CHF/m³ GV | 840 | |
BKP 1-9, CHF/m² HNF | 3'650 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 307'810 | |
Energiebezugsfläche EBF | 933 m² | |
Heizwärmebedarf Qh | 107 kWh/m²a | 37 kWh/m²a |
Grenzwert Qh,li für Umbauten | 44 kWh/m²a | |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes | 85 % | |
Energieerzeugung | Gaskessel | Gaskessel |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV, SK, Umweltwärme), kWp | 23 | |
Lüftungskonzept: Abluftventilatoren in den Nasszellen über Dach geführt. Küchenabluft über Dach mit Nachströmung über Fassade | ||
Luftschallschutz Decke Di (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | 55.0 dB | |
Trittschallpegel Boden L' (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | 53.3 dB | |
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? Neue Fenster und Trittschallschutz in der Decke | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018 * Im heutigen Zustand liegt der tiefste Erfüllungsfaktor a bei 0.40, (Längsrichtung). Diese Verschlechterung muss gemäss SIA Norm mindestens kompensiert werden. Als Massnahme wurden einige Wandstücke durchgehend neu betoniert und andere in Backstein ausgeführt. Zusammen vermögen sie den Erfüllungsfaktor leicht zu heben. | * | |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | Nein | 0% der Whg. |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | Nein | 0% der Whg. |
Eckdaten
Bauwerkname | MFH Eichweid |
Ort | Walter-Hauser-Strasse 14 8820 Wädenswil |
Auftragsart | Direktauftrag |
Jahr der Fertigstellung | 2019 |
Baujahr Bestand | 1964 (Architektur: Guido Catella) |
Bauweise | Massivbauweise |
Bauherrschaft | Privat |
Architektur | Ressegatti Thalmann GmbH, Zürich Jay Thalmann, Marcella Ressegatti |
Bauleitung | Hotz Partner AG, Wädenswil ZH |
Fachplaner | ACS-Partner AG, Zürich (Bauingenieur) Raumanzug GmbH, Zürich (Bauphysik) Gutknecht Elektroplanung AG, Au ZH Schläpfer Carstensen Landschaftsarchitekten, Zürich |