Bau des Monats 10/2023
Alterssiedlung Guggi
Gut Deubelbeiss Architekten haben in Luzern die erste Etappe einer Alterssiedlung aus den frühen 1970er-Jahren umgebaut. Mit einem einladenden Vorgartenbereich und einem zentralen Eingang ist das Haus nun erstmals an der Strasse adressiert.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Die Alterssiedlung Guggi besteht insgesamt aus sechs Bauten, von denen zwei in einer ersten Etappe saniert wurden. Nach über 40 Jahren Betrieb drängten sich gewisse Erneuerungen auf. Die Küchen und Nasszellen genügten den Richtlinien für altersgerechte Bauten nicht und selbst innerhalb der Wohnungen gab es Schwellen zu überwinden. Die Haustechnik galt es zu erneuern, und heutige energetische Anforderungen sollten erfüllt werden. Anstelle der Erdgeschosswohnungen waren zudem quartierverbindende Nutzungen gefragt, und die Umgebung sollte übersichtlicher und sicherer werden. Generell wünschte man sich eine offenere und einladendere Ausstrahlung der Bauten. Schlussendlich führte aber der Wunsch nach der Anpassung des Wohnungsspiegels von bisher mehrheitlich 1.5-Zimmerwohnungen zu 2- und 3-Zimmerwohnungen zum Entscheid eines Totalumbaus.
Nach Fertigstellung und Bezug der ersten Etappe im Jahr 2020 hat man die Erfahrungen der Bewohnenden während ca. zwei Jahren gesammelt und ausgewertet, um sie in die Planung der zweiten Etappe miteinfliessen zu lassen, welche wir zurzeit in der Vorprojektphase bearbeiten.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Die Dichte auf dem Grundstück war bereits im Bestand grösser als die gültige BZO erlauben würde. Mit einem Abbruch hätte man eine Ausnützungsreduktion in Kauf nehmen müssen. Die bestehende Bausubstanz erwies sich mit ihrem Zweischalenmauerwerk als robust, was die Bauten mit ihrer Präsenz auch ausstrahlten. Ein Ersatzneubau drängte sich entsprechend nicht auf, obwohl die Geschosshöhe von 2.66m sehr limitierend war.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Die Alterssiedlung Guggi steht in einem Villenquartier, in dem die Häuser aus der Zeit anfangs des 20. Jahrhunderts mit ortstypischen Gartenmauern und Staketengeländern eingefriedet sind. Die Körnung der Siedlung Guggi entspricht zwar nahezu dem quartiertypischen Massstab. Deren geschlossene, massive Balkone wirkten neben den Jugendstilbauten mit ihren feingliedrigen Veranden jedoch ziemlich abweisend. Hier setzte das Projekt an: Neue Balkone mit Staketengeländern, die zwar nicht so filigran wie bei den Nachbarhäusern konstruiert sind, sondern eher etwas massiver wie die diversen Details der 1970er-Jahre-Bestandesbauten, verändern den Charakter der Bauten massgeblich. Somit sucht das Projekt seine eigene Identität zwischen den Stadtvillen aus der Zeit um 1900 und dem eigenen Ursprung in den 1970er-Jahren. Die Gartenmauern der Nachbarschaft haben wir um das Areal weitergeführt. Gleichzeitig haben wir den Vorgartenbereich neu als öffentlich zugängliche Überganszone konzipiert, die die Gebäude an der Taubenhausstrasse sichtbar adressiert. Hierzu wurde die bisherige Anlieferungsrampe rückgebaut und über die bestehende Einstellhalle organisiert, gleichzeitig suchten wir für die Abfallentsorgung einen Standort abseits vom Haupteingang. Der frei gewordene Bereich dient nun als Aussensitzplatz für das Bistro. Sitzinseln mit Bäumen und blühenden Stauden zonieren die verschiedenen Funktionen des Vorbereichs. Neben dem Aussenkaffee brauchte es auch Kurzzeitparkplätze für Taxidienste und Lieferanten sowie Veloabstellplätze für die Spitex.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Der Baukörper wurde auf den Rohbauzustand rückgeführt. Als erste Massnahme wurden die schmalen und stark verdunkelnden Balkone abgeschnitten und einige nicht tragende Innenwände abgebrochen, um die Zimmer- und Raumgrössen zu optimieren. Gleichzeitig wurden die bestehenden Fensteröffnungen unterhalb der Brüstungen geöffnet, um mehr Tageslicht in die Wohnungen zu bringen. Für die Erdbebensicherheit musste mit einzelnen neuen Betonwänden nachgeholfen werden, während die schalltechnischen Verbesserungen mit aufgedoppelten Vorsatzschalen bewerkstelligt wurden. Wo möglich wurden die neuen Einbauten mit Leichtbaukonstruktionen erstellt, wobei einzelne Wandabschnitte aufgrund von Erdbeben- und Schallanforderungen betoniert werden mussten. Das bestehende Zweischalenmauerwerk wurde mit einer Aussenwärmedämmung versehen und wie der Bestand wieder verputzt ― jedoch mit zwei verschiedenen Körnungen, sodass eine horizontale Gliederung entsteht. Die Holzkonstruktion des Daches konnte praktisch komplett erhalten bleiben, einzig für die Lüftung wurde eine zusätzliche Geschossdecke im Dachraum erforderlich. Die haustechnischen Anlagen inklusive der Verteilung wurden komplett erneuert und anstelle der Gasheizung auf eine Erdsondenwärmepumpe umgerüstet.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Die bestehenden Raumhöhen waren sehr bescheiden. Da ein Minergie-ECO-Bau vorgegeben war, erforderte dies ein Leitungsführungskonzept, das sich auf die Kernzone im Bereich der Entrées und Nasszellen beschränkte, damit die Raumhöhen in den Zimmern und Wohnräumen nicht weiter reduziert werden mussten. Um die Schallschutzanforderungen zu erfüllen, haben wir einerseits eine Trittschalldämmung eingebracht, andererseits wurden bei bestehenden Wohnungstrennwänden biegeweiche Vorsatzschalen aufgedoppelt.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Es zeigte sich einmal mehr, dass die statischen Eingriffe die aufwändigsten Massnahmen sind – nicht nur kostenmässig, sondern auch planungsseitig. In der Vorprojektphase wird eine Wand schnell einmal gelb statt schwarz dargestellt. Dahinter steckt zwar eine räumliche Absicht und ein angestrebter Mehrwert, dennoch blendet man in dieser Phase zumeist aus, dass dahinter vielfältige Konsequenzen bis hin zu zusätzlich notwendigen Schallschutzmassnahmen und aufwändigen Nachbesserungen hinsichtlich Brandschutz stehen. Dieses anfängliche Ausblenden mag gut sein, um Sachen neu zu denken, aber man muss sich bewusst sein, welchen Aufwand man sich damit in den folgenden Phasen einbrockt.
Eine andere, positive Erkenntnis war, dass eine kleine Geste wie das durchlaufende neue Vordach und ein angemessener Vorbereich einen ganzen Strassenabschnitt aufzuwerten vermögen. Die Balkone und die französischen Fenster verschaffen der Siedlung eine neue Transparenz, auch im übertragenen Sinn. Es gibt eine Wechselwirkung zwischen Innen- und Aussenraum: Die Bewohnenden nutzen die Möglichkeit, am Stadtgeschehen teilzuhaben, ohne die Wohnungen verlassen zu müssen; anderseits ist nun auch von aussen erkennbar, dass und von wem das Haus bewohnt ist, obwohl dies ja unverändert blieb.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Die Bauherrschaft hatte bereits früher eine Machbarkeitsstudie erarbeiten lassen, aus der sie die Aufgabenstellung für das anschliessende Planerwahlverfahren definieren konnte. Im Planerwahlverfahren mussten wir zur ortsbaulichen Eingliederung und zum angestrebten architektonischen Ausdruck Aussagen machen. Um Skizzen zu den Fassaden zu generieren, waren natürlich auch erste Gedanken zu den Grundrissen erforderlich. Nach dem Zuschlag durften wir direkt mit der Vorprojektphase starten. Punktuell wurden Vertreter der Quartiervereine und von verschiedenen sozialen Partnervereinen und Institutionen miteinbezogen, insbesondere als eine geeignete Betreibergesellschaft für das Restaurant gesucht wurde.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
Konkrete Referenzprojekte haben wir nicht hinzugezogen. Es ging uns darum, die Balance zu finden, um den Bauten einerseits das gewünschte offenere und frische Gesicht zu verleihen, und gleichzeitig eine zeitlose Gestaltung anzustreben. Dennoch versuchten wir die Qualitäten der Originalsubstanz zu würdigen, indem wir für diverse Detaillierungen oder Farbgestaltungen die 1970er-Jahre des Bestandes als Inspiration verwendeten. Dabei haben wir uns die Freiheit genommen, den teilweise etwas steifen Ausdruck dieser 1970er-Jahre-Bauten unbeschwerter und offener zu gestalten. Man muss auch bedenken, dass ja gerade die Bewohner und die Bauherrschaft in diese Richtung eine Veränderung wünschten. Die Suche nach einem intensiveren Bezug von Innen- und Aussenraum hat die Gestaltung massgeblich beeinflusst. Die Wohnungen interagieren über die offenen Balkone und die französischen Fenster mit dem öffentlichen Strassenraum und der parkartigen Umgebung.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Die Nachfrage nach 2.5-Zimmer-Wohnungen scheint am grössten zu sein; somit wird bei der 2. Etappe eine Anpassung des Wohnungsspiegels angestrebt. Die Bewohnenden sind teilweise nicht besonders erfreut an verschiedenen Gebäudeautomationen wie Storen, die nach dem Sonnenstand reagieren oder der kontrollierten Lüftung – sie wünschen sich diesbezüglich mehr Autonomie und weniger Technik. In der 2. Etappe werden deshalb Überlegungen angestellt, dass man anstatt einer Minergie-Zertifizierung eine SIA Effizienzpfad-Lösung anstrebt, denn die Voraussetzungen dazu sind vorhanden. Der Anspruch, dass bezahlbarer, altersgerechter und ökologisch nachhaltiger Wohnraum realisiert werden kann, bleibt unverändert.
Kennwerte der Alterssiedlung Guggi - Taubenhaus
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m³ | 12'192 | 12'216 |
Geschossfläche (GF), m² | 4'277 | 4'385 |
Hauptnutzfläche (HNF), m² | 2'305 | 2'246 |
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | 43 | 30 (25 Wohnungen, 1 Gastro, 4 Büroflächen) |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 947'715 | |
BKP 2 Gebäude | 10'813'136 | |
BKP 4 Umgebung | 691'685 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 172'788 | |
BKP 9 Ausstattung | 0 | |
BKP 1-9, CHF | 12'741'637 | |
BKP 2, CHF/m³ GV | 890 | |
BKP 2, CHF/m² HNF | 4'810 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 360'440 | |
BKP 1-9, CHF/m³ GV | 1'040 | |
BKP 1-9, CHF/m² HNF | 5'670 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 424'720 | |
Energiebezugsfläche EBF, m² | 3'176 | 3'184 |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a | k.A. | 30 |
Grenzwert Qh,li für Umbauten, kWh/m²a | k.A. | 38 |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes | 79 | |
Gesamtenergiebedarf (Heizwärmebedarf + Elektrizität), kWh/m²a | 30 | |
Energieerzeugung | Gaskessel | Erdsonden-Wärmepumpenanlage |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV), kWh/m²a | 0 | 6 |
Art der erneuerbaren Energie | Photovoltaik | |
Lüftungskonzept: | ||
Luftschallschutz Decke Di, dB (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | 53 | |
Trittschallpegel Boden L', dB (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | 54 | |
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018 | 0.77 | 1.0, quer: 0.77 |
nach welcher Norm berechnet? | SIA 2018 | SIA 2018 |
Nachhaltigkeitslabel | GEAK G | Minergie-ECO |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | N | J |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | N | J |
Eckdaten
Bauwerkname | Alterssiedlung Guggi – Taubenhaus |
Ort | Taubenhausstrasse 14 6003 Luzern |
Auftragsart | Planerwahlverfahren |
Jahr der Fertigstellung | 2020 |
Baujahr Bestand | 1970-73 (Architekturbüro Zwimpfer) |
Bauweise | Massivbau |
Bauherrschaft | Stadt Luzern, Finanzliegenschaften |
Architektur | Gut Deubelbeiss Architekten AG, Luzern: David Nyffenegger (PL), Andy Kuhn, Julia Bressmer, Noah Gisiger, Esther Deubelbeiss |
Bauleitung | Brun Bau- und Projektleitungen AG, Rothenburg |
Fachplaner | Bauingenieur: BlessHess AG, Luzern HLKS-Planung: JOP AG, Rothenburg Elektroplanung: elektroengineering partnerag, Emmenbrücke Bauphysik: Martinelli + Menti AG Landschaftsarchitektur: Iten Landschaftsarchitektur GmbH, Unterägeri |
Spezialisten | ECO-Koordination: Pirmin Jung AG, Sursee |