Bau des Monats 08/2022
Hirzenbach
KLP Architekten haben an der Hirzenbachstrasse in Zürich zwei identische Wohnblöcke für zwei verschiedene Bauherrschaften saniert – ohne und mit Balkonerweiterung, aber in beiden Fällen mit zu Küchentürmen gestapelten Raumzellen in Beton-Vorfabrikation.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Die für heutige Vorstellungen zu knappen Wohnungen mussten vergrössert werden. Das damals neue „Städtebauliche Leitbild Schwamendingen“ der Stadt Zürich vom April 2005 verlangte den Erhalt des ausgewogenen Verhältnisses zwischen Bebauung und Freiflächen, das die Qualität der grossflächigen Wohnsiedlung ausmacht. Gleichzeitig sollten die notwendigen Erneuerungen und zulässige Wohnraumerweiterung zur demographischen „Verjüngung“ Schwamendingens gefördert werden, wie auch der Erhalt zahlbaren Wohnraums.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Das war ein Thema, wurde aber verworfen. Massgebend zu diesem Entscheid war unter anderem, dass noch Nutzungsreserven auf den Grundstücken vorhanden waren, welche sich mit einem Anbau ausschöpfen liessen, ohne das bestehende Volumen wesentlich zu tangieren.
Anhand des durchgeführten Wettbewerbsverfahrens beim baugleichen Gebäude Hirzenbachstrasse 7-11, welches unser Büro gewonnen hatte, konnte aufgezeigt werden, dass sich einerseits eine Sanierung der bestehenden Bausubstanz nach wie vor lohnt, und dass andererseits der Wohnwert mit einer Volumenerweiterung in Form von neuen Wohnküchen wesentlich gesteigert werden kann. Aus ökologischer Sicht stand eine Ertüchtigung gegenüber einem Ersatz im Vordergrund. Der Grundbausubstanz konnte nochmals ein Lebenszyklus «eingehaucht» werden.
Weiters wollten beide Bauherrschaften (Siedlungsgenossenschaft Eigengrund, Hirzenbachstrasse 7-11, und Baugenossenschaft Milchbuck, Hirzenbachstrasse 28-32) weiterhin ein günstiges Wohnangebot im sich wandelnden Stadtteil anbieten können; bei einem Ersatzneubau wäre ca. eine Verdoppelung des bisherigen Mietzinses entstanden.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Die kompakte «Wohnscheibe» mit drei Erschliessungen und einem gemischten Angebot an 1½-, 2½-, 3½- und 4½-Zimmerwohnungen am Stadtrand von Zürich ist attraktiv für Wohnungssuchende jeder Alterskategorie. Die Erweiterung des Wohnraumes und der Balkone macht die Wohnungen noch beliebter. Die breiten Panoramafenster der neuen Küchen spielen in den obersten 5 Geschossen mit der Fernsicht in die Ostalpen.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Die Bauherrschaften hatten sich entschieden, auf eine schalltechnische Sanierung zu verzichten, da keine nennenswerten Umbauten am bestehenden Grundrisslayout erfolgten. Im Sinne der Bestandesgarantie wurden auch keine diesbezüglichen behördlichen Auflagen erteilt. Auflagen hatten wir nur bei den Anbauten. Ein Liftersatz wurde auch ausgeschlossen. Die Liftanalagen waren ein paar Jahre vor dem Umbau von Flügeltüren auf Schiebetüren ertüchtigt worden. Ein Umbauprojekt mit neuem Lift wäre finanziell nicht mehr realistisch gewesen, da dies den Einbau eines Liftschachts in den bestehenden Wohnungsperimeter mit Verlust von Wohnraum bedeutet hätte.
Im Wesentlichen gab es eine Strangsanierung von Küchen und Bädern, d.h. die bisherigen Küchen wurden zu Bädern umgebaut, und über die bisherigen Bäder wurden die neu angebauten Küchen erschlossen. In der sonstigen bestehenden Raumstruktur wurde nichts verändert. Mit diesem Vorgehen konnte ein Umbau an den Wohnungen verhindert und die Raumstruktur erhalten werden. Ohne diese Erweiterungsmöglichkeit wäre ein Umbau eher verworfen worden.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Zum einen war es die feuerpolizeiliche Ertüchtigung: Soweit möglich wurden Verbesserungen getätigt, nach langen Verhandlungen mit der Feuerpolizei konnte auf die Feuerwehraufzüge verzichtet werden. Zum anderen war es die Erfüllung der Erdbebensicherheit bei den neuen Küchentürme; die vorfabrizierten Zellen wurden so konstruiert und untereinander verbunden, dass sie als Turm in sich gegen Erdbeben ausgesteift sind.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Das Umbauen von mehrgeschossigen Wohnbauten in bewohntem Zustand ist dank guter Planung und Vorfabrikation von Raumzellen und Balkonelementen möglich. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Fachplanern und kreatives Querdenken aller Beteiligten ist hierfür Voraussetzung.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
An der Hirzenbachstrasse 7-9 gab es einen Wettbewerb (Ortsanalyse und Erweiterungsvorschlag), an dem wir den 1. Preis gewannen.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Von den Erkenntnissen aus dem Umbau der Hirzenbachstrasse 7-11 (Fertigstellung 2007) konnten wir für den Umbau an der Hirzenbachstrasse 28-32 (Fertigstellung 2014) enorm profitieren. Bautechnischen Probleme wie Setzungen bei den Küchentürmen konnten wir mit entsprechenden Massnahmen begegnen. Weiter wurden bei der zweiten Runde die Badezimmer aus Wand- und Installationsmodulen in Vorfabrikation erstellt.
Heute würden wir der Nachhaltigkeit von Baumaterialien nochmals vermehrte Aufmerksamkeit schenken und die Thematik der erneuerbaren Energie vertiefter in die Sanierung miteinbeziehen. Nennenswert wären da beispielsweise die Verwendung von Recycling-Beton für die Vorfabrikation, oder die Produktion der Betonelemente in der Region. Beim Aussendämmsystem an den Betonelementen würden wir heute wohl eher ein vorgehängtes Leichtbausystem statt eine Kompaktfassade in Erwägung ziehen.
Kennwerte Wohnsiedlung Hirzenbach
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m3 | 18'018 | 20'930 |
Gebäudegrundfläche (GGF), m2 | 680 | 781 |
Geschossfläche (GF), m2 | 6'120 | 7'029 |
Hauptnutzfläche (HNF), m2 | 5'221 |
|
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | 81 | |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 377'000 | |
BKP 2 Gebäude | 15'780'000 | |
BKP 4 Umgebung | 288'000 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 173'000 | |
Förderbeiträge | -100'000 | |
BKP 1-9, CHF | 16'518'000 | |
BKP 2, CHF/m3 GV | 750 | |
BKP 2, CHF/m2 HNF | 3'020 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 194'810 | |
BKP 1-9, CHF/m3 GV | 790 | |
BKP 1-9, CHF/m2 HNF | 3'160 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 203'930 | |
Energiebezugsfläche EBF, m2 | 5'221 | |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m2a | 29.7 | |
Grenzwert Qh, li für Umbauten, kWh/m2a | 39.7 | |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes, kWh/m2a | 75 % | |
Energieerzeugung | Gas | |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV, SK, Umweltwärme), kWp | PV-Anlage auf dem Dach | |
Lüftungskonzept: | ||
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? Korkunterlage bei Bodenbelägen | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Ja, keine Feuerwehrlifte | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018? | * | |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | 100% der Wohnungen | |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | 66% der Wohnungen |
Eckdaten
Bauwerkname | Sanierung und Erweiterung Wohnsiedlung Hirzenbach |
Ort | Hirzenbachstrasse 7-11 (ohne Balkone und nur teilweise energetische Sanierung) Hirzenbachstrasse 28-32 8051 Zürich |
Auftragsart | Wettbewerb, Planungs- und Realisationsauftrag |
Jahr der Fertigstellung | Hirzenbachstrasse 7-11: November 2007 Hirzenbachstrasse 28-32: Mai 2014 |
Baujahr Bestand | zwischen 1955 und 1960 |
Bauweise | Massiv-/Elementbauweise |
Bauherrschaft | Hirzenbachstrasse 7-11: Siedlungsgenossenschaft Eigengrund Zürich Hirzenbachstrasse 28-32: Baugenossenschaft Milchbuck, Birmensdorf ZH |
Architektur | KLP Architekten SIA Zürich – Andreas Bühler Dipl. Architekt FH SIA – Frederik Brun Dipl. Architekt FH SIA REG A |
Bauleitung | Hirzenbachstrasse 7-11: KLP Architekten SIA Zürich Hirzenbachstrasse 28-32: Rebobau AG Fehraltorf – Andreas Wirth – Reto Boeniger |
Fachplaner | Suisseplan Ingenieure AG Zürich (Bauingenieur) Gode AG, Zürich (Elektroingenieure) Getec Zürich AG (HLS Ingenieure, Hirzenbachstrasse 7-11) Müller Bucher Ingenieure, Zürich (HLS Ingenieure, Hirzenbachstrasse 28-32) |
Spezialisten | Zehnder & Kälin AG, Winterthur (Bauphysik und Akustik) |