Bau des Monats 11-12/2023
Kreisdruck

Luca Selva Architekten haben in Basel die 1960 erbauten Büro- und Produktionsräume einer Druckerei zu grosszügigem Wohnraum transformiert. Trotz neuer Wände und Einbauten ist die Tiefe der Shedhalle erfahrbar geblieben, und die umgebaute Strassenfassade erinnert weiterhin an die Entstehungszeit des Hauses.

Umbau Druckereigebäude
Zwei Wohnungen im Erdgeschoss erstrecken sich vom Eingang im Mitteltrakt über vier Felder der Shedhalle und sind nahezu 39m lang. (Foto: Adriano A. Biondo)
Umbau Druckereigebäude
Das Tragwerk der Shedhalle wurde im Bereich der Patios freigelegt. Die Drahtglas-Felder wurden durch elektrisch gesteuerte Skylights mit aussenliegenden Sonnenschutzrollos ersetzt und die Dachflächen nachgedämmt. (Foto: Adriano A. Biondo)

Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?

Die Auftraggeberschaft führte über Jahrzehnte die Druckerei an diesem Standort in der Basler Innenstadt. Das Gebäude wurde um 1960 durch das Büro Burckhardt & Eya erstellt und deckte mit seinem Raumprogramm mit Lager, Druckereihalle, Setzerei und Lithographieabteilung etc. die Bedürfnisse eines mittelgrossen Druckereibetriebes ab. Ab 2000 wurde die Produktion auch auf einen weiteren Standort ausgedehnt. Infolge Umstrukturierung des Produktionsprozesses wurde der Standort an der innerstädtischen Holbeinstrasse aufgegeben und es stellte sich die Frage einer Nachnutzung. In einem Studienauftrag wurde die Eignung des Gebäudes für eine Wohnnutzung geprüft, was mit den Ergebnissen auch bestätigt wurde. Das Programm für die anschliessende Projektierung waren neue Wohnungen zwischen 60 und 180m² und die Nutzung des bestehenden Lagers als Einstellhalle.

Die bestehenden Strukturen und der industrielle Charakter wurden beibehalten; behutsam wurde die neue Nutzung in den Bestand eingeführt. Es entstanden insgesamt neun horizontal entwickelte Wohnungen, welche mit Raumhöhen zwischen 3.20m und 6.80m in der Shedhalle eine aussergewöhnliche Raumdimension aufspannen. In die bis zu 39 Meter tiefen, teilweise überhohen Wohnungen fällt das Tageslicht über neu eingefügte Patios, eingezogene Loggien sowie über das Sheddach. Der Charakter der bestehenden Fassade aus hinterlüfteten Aluminiumpaneelen wurde beibehalten, und räumlich in der Tiefe abgesetzt wurde die neue Klimaschicht eingeführt. Der Wechsel der Nutzung wird nur auf den zweiten Blick, durch die neuen, hell gestrichenen Fenster in der zweiten Ebene, spürbar.

War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?

Der Studienauftrag liess die Frage Abbruch/Neubau oder Umnutzung offen. Aus unserer Sicht kam nur ein Umbau in Frage, der das grossartige Potenzial des Bestandes mit Sheddächern und Pilzstützen in eine neue Nutzung weiterträgt. Für die Bauherrschaft war sicher mitentscheidend, dass bei einem Neubau eine höhere Freiflächenziffer eingefordert worden wäre, was zu einer geringeren Ausnützung geführt hätte.

Umbau Druckereigebäude

Im 1. und 2. Obergeschoss wurde die Bestandsfassade ausgeglast, die Felder
teilweise neu verglast und mit neuen Schiebe-Verglasungen ergänzt. Zurückliegend
wurde eine neue Klimagrenze mittels neuer Verglasung eingefügt. Die Front im
EG wurde komplett ersetzt. (Foto: Adriano A. Biondo)
Umbau Druckereigebäude
Die zurückversetzte neue Klimagrenze und der damit aufgespannte Aussenraum
hinter der Bestandsfassade. (Foto: Adriano A. Biondo)

Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?

Der durch die industrielle Nutzung bestimmte Charakter des Bestands wurde zu einem tragenden Entwurfsthema und ist auch in der neuen Nutzung weiter spürbar. Die Direktheit der Tragkonstruktion – Pilzkopfstützen, Rippendecken und Besonderheiten wie die Stahlkonstruktion des Sheddachs – wurden mit wenigen neuen Elementen und Materialien ergänzt.

Umbau Druckereigebäude
Der sägerauhe Eichenriemenboden auf einer ausgedämmten Unterkonstruktion
ermöglicht die UP-Zuleitung für die modernisierte Gebäudetechnik, wie
beispielsweise für die neuen Säulen-Heizkörper. (Foto: Adriano A. Biondo)
Umbau Druckereigebäude

Um die neue Leitungserschliessung zu ermöglichen, und um dabei auch die
Deckenuntersichten sowie die Pilzköpfe der Stützen in voller Höhe sichtbar belassen
zu können, wurde nicht die Decke abgehängt, sondern der Boden um einen Tritt
des Bestandstreppenhauses angehoben.

Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?

Der Bestand – von nicht tragenden Elementen und Einbauten befreit – liess die Räume von grosser Spannweite wieder sichtbar werden; so der Strassentrakt mit Pilzkopfstützen, der Mitteltrakt mit Unterzug und Rippendecke sowie die Shedhalle frei überspannt durch das Stahl-Glas-Sheddach. Die Wohnungseinheiten konnten mittels Leichtbauwänden in diese Ausgangslage einbeschrieben werden. Einige wenige Tür- und Fensteröffnungen wurden neu ausgeschnitten.

Der Rückbau des einstigen Warenlifts – ca. in der Mitte des Gebäudes und mit einem Motorraum in Dachgeschoss – sowie die Ausweitung der Anlieferungsrampe hin zu einer Autoeinstellhallenrampe waren die wesentlichsten und wuchtigsten Massnahmen – Letztere eine statische Herausforderung. Um die Bestandsdecken und Pilzkopf-Stützen sichtbar belassen zu können, wurden sämtliche Leitungen in einem neuen Bodenaufbau, bestehend aus einer Sparrenunterkonstruktion und rohen Eichendielen, über dem Bestandsboden geführt. Hierfür wurden alle Geschossniveaus um einen Tritt des Bestands-Treppenhauses angehoben. Der Stahl-Glas-Liftschacht des Personenaufzugs wurde entsprechend angepasst und im obersten Geschoss ergänzt; die Glasfüllungen wurden durch Sicherheitsglas ersetzt.

Die Gebäudehülle wurde mit Multipor nachgedämmt: wo möglich nach aussen, zwischen den Brandmauern nach innen. Die Fenster wurden – mit Ausnahme der erwähnten Anpassungen in der Strassenfassade – gesamtheitlich ersetzt. In diesem Zusammenhang mussten auch die Verkleidungen der Hauptfassade ausgetauscht werden.

Umbau Druckereigebäude
Abgehängte Decken wurden entfernt und die verkleideten Stützen und Träger
wieder freigelegt. (Foto: Adriano A. Biondo)

Worin bestand die grösste Herausforderung?

Die Baustellen-Logistik war eine enorme Herausforderung. Das grosse Volumen mit der immensen Bautiefe von rund 63m war nur über die Holbeinstrasse, einer relativ schmalen Einbahnstrasse, anlieferbar. Für den Weg ins Innere standen zudem nur wenige, bestehende Fassadenöffnungen zur Verfügung. Mit anderen Worten, ein echtes Nadelöhr.

Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?

Umnutzungen sind höchst anspruchsvoll in Konstruktion und Logistik, vor allem wenn es darum geht, die ‘Seele’ des Hauses zu erhalten. Harte Arbeit, die sich aber lohnt!

Umbau Druckereigebäude
Die Oblichter des Mitteltrakts waren teils komplett
verhüllt, oder mit Gips verkleidet. Die kleinteiligen
Räume wurden rückgebaut.
Umbau Druckereigebäude
Die aufgrund Archivplänen vermutete Rippendecke wurde nach Rückbau der
Akustikdecke noch komplett eingeschalt angetroffen und durfte knapp sechzig Jahre
nach Erstellung erstmals sorgfältig ausgeschalt werden. (Foto: Adriano A. Biondo)

Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?

Die von einem professionellen Bautreuhänder begleitete Bauherrschaft klärte baugesetzliche Fragen. Von Seiten Planer war – neben aufwändigen Gebäudeaufnahmen – eine grosse Anzahl Sondierungen bezüglich Altlasten und Zustand des Tragwerkes notwendig.

Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?

Nein.

Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?

Aus unserer Sicht war das Projekt auf allen Ebenen ein riesiger Erfolg. Entspannend war, dass wir genau zu dem Betrag abrechnet haben, den wir von Anfang an kommuniziert haben. Das hat viel mit Erfahrung zu tun, braucht aber auch ein gutes Team mit einer hochkompetenten Leitung, was hier ausgesprochen der Fall war.

Umbau Druckereigebäude
Situation
Umbau Druckereigebäude
Grundriss Untergeschoss
Umbau Druckereigebäude
Grundriss Erdgeschoss
Umbau Druckereigebäude
Grundriss 1. Obergeschoss
Umbau Druckereigebäude
Grundriss 2. Obergeschoss
Umbau Druckereigebäude
Grundriss Dachgeschoss
Umbau Druckereigebäude
Längsschnitt
Umbau Druckereigebäude
Detailschnitt
Umbau Druckereigebäude
Detail-Ausschnitt

Kennwerte des Umbaus Druckereigebäude

Mengen, nach SIA 416vorhernachher
Gebäudevolumen (GV), m³10'2389'546
Geschossfläche (GF), m²1'7791'612
Hauptnutzfläche (HNF), m²1'350
Funktionale Einheiten (FE), Stk.(Druckereibetrieb)9
Energiebedarfvorhernachher
Energiebezugsfläche EBF, m²1'6431'638
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a15633
Grenzwert Qh,li für Umbauten, kWh/m²a3640
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes43382
Elektrizität, inkl. Wärmepumpe (falls vorhanden), kWh/m²a2018
Gesamtenergiebedarf (Heizwärmebedarf + Elektrizität), kWh/m²a17651
Energieversorgungvorhernachher
EnergieerzeugungÖlFernwärme
Lüftung
Lüftungskonzept:
Bad- und (teilweise) Küchenabluft sowie Lüftung der Einstellhalle.
Schallschutzvorhernachher
Luftschallschutz Decke Di, dB
(mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181)
63.0
Trittschallpegel Boden L', dB
(max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181)
46.0
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden?
Der neue Hohlboden wurde mit Akustiklagern auf den Bestandsboden gelegt und mit Mineralwolle ausgedämmt.
Wände empfindlicher Räume (Schlafräume) gegen das Treppenhaus bzw. den Lift wurden nochmals aufgedoppelt.
Brandschutzvorhernachher
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden?Nein
Erdbebensicherheitvorhernachher
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 20180.46/0.680.46/0.68
nach welcher Norm berechnet?SIA 269/8
Nachhaltigkeitvorhernachher
Nachhaltigkeitslabelkeines
Erfüllung Norm SN 0500vorhernachher
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG?-ja
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar?-ja

Eckdaten

BauwerknameUmbau Druckereigebäude
OrtHolbeinstrasse 56
4051 Basel
AuftragsartStudienauftrag / Direktauftrag
Jahr der Fertigstellung2020
Baujahr Bestand1960 (Architektur: Burckhardt & Eya)
BauherrschaftKreis Immobilien AG, Basel
BauherrenvertretungCharles Kroepfli, dipl. Architekt HTL / SIA GmbH
Generalplaner,
Architektur &
Bauleitung
Luca Selva AG Architekten ETH BSA SIA, Basel
Luca Selva, verantwortlicher Partner
Véronique Caviezel, Projektleitung & Bauleitung
Flavio Rutz, ergänzende Bauleitung
Mitarbeit: Vanessa Kuc, Mattia Mariotto, Nils Leuenberger, Sabine Pöschk, Tobias Oser, Alex Pipoz
FachplanerTragwerksplanung: Beurret Ingenieure GmbH, Basel
Elektroplanung: Pro Engineering AG, Basel
HLKKS-Planung: Roman Böni GmbH, Oberentfelden AG
SpezialistenBauphysik: Brücker+Ernst GmbH SIA, Luzern LU
Brandschutz: Safetyfocus GmbH, Pratteln BL
Bauakustik: Martin Lienhard, Büro für Raum- Bauakustik, Langenbruck BL