Bau des Monats 11-12/2023
Kreisdruck
Luca Selva Architekten haben in Basel die 1960 erbauten Büro- und Produktionsräume einer Druckerei zu grosszügigem Wohnraum transformiert. Trotz neuer Wände und Einbauten ist die Tiefe der Shedhalle erfahrbar geblieben, und die umgebaute Strassenfassade erinnert weiterhin an die Entstehungszeit des Hauses.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Die Auftraggeberschaft führte über Jahrzehnte die Druckerei an diesem Standort in der Basler Innenstadt. Das Gebäude wurde um 1960 durch das Büro Burckhardt & Eya erstellt und deckte mit seinem Raumprogramm mit Lager, Druckereihalle, Setzerei und Lithographieabteilung etc. die Bedürfnisse eines mittelgrossen Druckereibetriebes ab. Ab 2000 wurde die Produktion auch auf einen weiteren Standort ausgedehnt. Infolge Umstrukturierung des Produktionsprozesses wurde der Standort an der innerstädtischen Holbeinstrasse aufgegeben und es stellte sich die Frage einer Nachnutzung. In einem Studienauftrag wurde die Eignung des Gebäudes für eine Wohnnutzung geprüft, was mit den Ergebnissen auch bestätigt wurde. Das Programm für die anschliessende Projektierung waren neue Wohnungen zwischen 60 und 180m² und die Nutzung des bestehenden Lagers als Einstellhalle.
Die bestehenden Strukturen und der industrielle Charakter wurden beibehalten; behutsam wurde die neue Nutzung in den Bestand eingeführt. Es entstanden insgesamt neun horizontal entwickelte Wohnungen, welche mit Raumhöhen zwischen 3.20m und 6.80m in der Shedhalle eine aussergewöhnliche Raumdimension aufspannen. In die bis zu 39 Meter tiefen, teilweise überhohen Wohnungen fällt das Tageslicht über neu eingefügte Patios, eingezogene Loggien sowie über das Sheddach. Der Charakter der bestehenden Fassade aus hinterlüfteten Aluminiumpaneelen wurde beibehalten, und räumlich in der Tiefe abgesetzt wurde die neue Klimaschicht eingeführt. Der Wechsel der Nutzung wird nur auf den zweiten Blick, durch die neuen, hell gestrichenen Fenster in der zweiten Ebene, spürbar.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Der Studienauftrag liess die Frage Abbruch/Neubau oder Umnutzung offen. Aus unserer Sicht kam nur ein Umbau in Frage, der das grossartige Potenzial des Bestandes mit Sheddächern und Pilzstützen in eine neue Nutzung weiterträgt. Für die Bauherrschaft war sicher mitentscheidend, dass bei einem Neubau eine höhere Freiflächenziffer eingefordert worden wäre, was zu einer geringeren Ausnützung geführt hätte.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Der durch die industrielle Nutzung bestimmte Charakter des Bestands wurde zu einem tragenden Entwurfsthema und ist auch in der neuen Nutzung weiter spürbar. Die Direktheit der Tragkonstruktion – Pilzkopfstützen, Rippendecken und Besonderheiten wie die Stahlkonstruktion des Sheddachs – wurden mit wenigen neuen Elementen und Materialien ergänzt.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Der Bestand – von nicht tragenden Elementen und Einbauten befreit – liess die Räume von grosser Spannweite wieder sichtbar werden; so der Strassentrakt mit Pilzkopfstützen, der Mitteltrakt mit Unterzug und Rippendecke sowie die Shedhalle frei überspannt durch das Stahl-Glas-Sheddach. Die Wohnungseinheiten konnten mittels Leichtbauwänden in diese Ausgangslage einbeschrieben werden. Einige wenige Tür- und Fensteröffnungen wurden neu ausgeschnitten.
Der Rückbau des einstigen Warenlifts – ca. in der Mitte des Gebäudes und mit einem Motorraum in Dachgeschoss – sowie die Ausweitung der Anlieferungsrampe hin zu einer Autoeinstellhallenrampe waren die wesentlichsten und wuchtigsten Massnahmen – Letztere eine statische Herausforderung. Um die Bestandsdecken und Pilzkopf-Stützen sichtbar belassen zu können, wurden sämtliche Leitungen in einem neuen Bodenaufbau, bestehend aus einer Sparrenunterkonstruktion und rohen Eichendielen, über dem Bestandsboden geführt. Hierfür wurden alle Geschossniveaus um einen Tritt des Bestands-Treppenhauses angehoben. Der Stahl-Glas-Liftschacht des Personenaufzugs wurde entsprechend angepasst und im obersten Geschoss ergänzt; die Glasfüllungen wurden durch Sicherheitsglas ersetzt.
Die Gebäudehülle wurde mit Multipor nachgedämmt: wo möglich nach aussen, zwischen den Brandmauern nach innen. Die Fenster wurden – mit Ausnahme der erwähnten Anpassungen in der Strassenfassade – gesamtheitlich ersetzt. In diesem Zusammenhang mussten auch die Verkleidungen der Hauptfassade ausgetauscht werden.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Die Baustellen-Logistik war eine enorme Herausforderung. Das grosse Volumen mit der immensen Bautiefe von rund 63m war nur über die Holbeinstrasse, einer relativ schmalen Einbahnstrasse, anlieferbar. Für den Weg ins Innere standen zudem nur wenige, bestehende Fassadenöffnungen zur Verfügung. Mit anderen Worten, ein echtes Nadelöhr.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Umnutzungen sind höchst anspruchsvoll in Konstruktion und Logistik, vor allem wenn es darum geht, die ‘Seele’ des Hauses zu erhalten. Harte Arbeit, die sich aber lohnt!
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Die von einem professionellen Bautreuhänder begleitete Bauherrschaft klärte baugesetzliche Fragen. Von Seiten Planer war – neben aufwändigen Gebäudeaufnahmen – eine grosse Anzahl Sondierungen bezüglich Altlasten und Zustand des Tragwerkes notwendig.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
Nein.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Aus unserer Sicht war das Projekt auf allen Ebenen ein riesiger Erfolg. Entspannend war, dass wir genau zu dem Betrag abrechnet haben, den wir von Anfang an kommuniziert haben. Das hat viel mit Erfahrung zu tun, braucht aber auch ein gutes Team mit einer hochkompetenten Leitung, was hier ausgesprochen der Fall war.
Kennwerte des Umbaus Druckereigebäude
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m³ | 10'238 | 9'546 |
Geschossfläche (GF), m² | 1'779 | 1'612 |
Hauptnutzfläche (HNF), m² | 1'350 | |
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | (Druckereibetrieb) | 9 |
Energiebezugsfläche EBF, m² | 1'643 | 1'638 |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a | 156 | 33 |
Grenzwert Qh,li für Umbauten, kWh/m²a | 36 | 40 |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes | 433 | 82 |
Elektrizität, inkl. Wärmepumpe (falls vorhanden), kWh/m²a | 20 | 18 |
Gesamtenergiebedarf (Heizwärmebedarf + Elektrizität), kWh/m²a | 176 | 51 |
Energieerzeugung | Öl | Fernwärme |
Lüftungskonzept: | ||
Luftschallschutz Decke Di, dB (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | 63.0 | |
Trittschallpegel Boden L', dB (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | 46.0 | |
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? Wände empfindlicher Räume (Schlafräume) gegen das Treppenhaus bzw. den Lift wurden nochmals aufgedoppelt. | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018 | 0.46/0.68 | 0.46/0.68 |
nach welcher Norm berechnet? | SIA 269/8 | |
Nachhaltigkeitslabel | keines | |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | - | ja |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | - | ja |
Eckdaten
Bauwerkname | Umbau Druckereigebäude |
Ort | Holbeinstrasse 56 4051 Basel |
Auftragsart | Studienauftrag / Direktauftrag |
Jahr der Fertigstellung | 2020 |
Baujahr Bestand | 1960 (Architektur: Burckhardt & Eya) |
Bauherrschaft | Kreis Immobilien AG, Basel |
Bauherrenvertretung | Charles Kroepfli, dipl. Architekt HTL / SIA GmbH |
Generalplaner, Architektur & Bauleitung | Luca Selva AG Architekten ETH BSA SIA, Basel Luca Selva, verantwortlicher Partner Véronique Caviezel, Projektleitung & Bauleitung Flavio Rutz, ergänzende Bauleitung Mitarbeit: Vanessa Kuc, Mattia Mariotto, Nils Leuenberger, Sabine Pöschk, Tobias Oser, Alex Pipoz |
Fachplaner | Tragwerksplanung: Beurret Ingenieure GmbH, Basel Elektroplanung: Pro Engineering AG, Basel HLKKS-Planung: Roman Böni GmbH, Oberentfelden AG |
Spezialisten | Bauphysik: Brücker+Ernst GmbH SIA, Luzern LU Brandschutz: Safetyfocus GmbH, Pratteln BL Bauakustik: Martin Lienhard, Büro für Raum- Bauakustik, Langenbruck BL |