Bau des Monats 07/2023
Wolfmatten
Die schlichte Siedlung am Wolfmattweg wurde von Balthasar Wirz mit grossen Wohnküchen in feingliedrigen Anbauten erweitert. Innerhalb der überzeugenden neuen Gesamtvolumetrie bleibt die Verdichtung dank verschiedenfarbigen Fassadenschalungen lesbar.
Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Die Wohngenossenschaft Wolfmatten, welche mehrere Liegenschaften mit mehrheitlich 3-Zimmer-Wohnungen besitzt, war bei den Mehrfamilienhäusern am Wolfmattweg mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Einerseits waren die einfachen Bauten aus den 1950er-Jahren sanierungsbedürftig. Andererseits forderte der Baurechtsgeber, die politische Gemeinde Arlesheim, für die Verlängerung des Baurechtvertrags eine Verdichtung auf dem Grundstück. Somit musste die Wohngenossenschaft handeln. Mit dem bevorstehenden Umbau eröffnete sich die Möglichkeit, die Wohnungen zu vergrössern und für die darin wohnenden Familien attraktiver zu gestalten.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Im Rahmen des Vorprojekts haben wir der Bauherrschaft eine Vielzahl von möglichen Strategien aufgezeigt. Darunter waren verschiedene Varianten von An- und Umbauten, Balkone, Aufstockungen, und ebenfalls Ersatzneubauten enthalten. Neben der Arbeit mit Vorstand und Baukommission wurden auch die Bewohner:innen mittels Workshops in die Planung einbezogen. Die schlussendlich gewählte Variante, die sowohl im Erd- wie auch im Obergeschoss mehr Wohnraum schafft (statt beispielsweise nur eine Terrasse im OG), ergab für die Bauherrschaft den grössten Mehrwert. Auch wurde deutlich, dass für die Annahme des Projekts durch die stimmberechtigten Anwohnenden eine Sanierung gegenüber einem Ersatzneubau bessere Chancen hatte. Zuletzt waren die finanziellen Mittel beschränkt, sodass ein kosteneffizientes Projekt mit einzelnen, gezielten Eingriffen vom Vorstand bevorzugt wurde.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Der Wolfmattweg ist eine kleine Sackgasse, beidseitig gesäumt von Bauten der Wohngenossenschaft und mit einem Kindergarten am Ende der Strasse. Der Ort und die Wohnungen sind bei den Bewohnenden sehr beliebt; es wird ein enger Austausch gepflegt. Schlussendlich war eine ortsbauliche Einpassung der Anbauten ein wichtiges Thema im Entwurf: Die feingliedrigen Anbauten fügen sich in die Einfamilienhaus-Typologie des Quartiers ein. Der gemeinsam genutzte Aussenraum sollte eine Aufwertung erfahren und differenziert bespielt werden. Dies unterstützte im Entwurf die Ausformulierung von direkten Austritten aus den EG-Wohnungen in den Garten und die Unterteilung von diesem in individuelle Aussenbereiche. Auch die Wohnungen im Obergeschoss erhielten individuelle Gärten.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Das Projekt besteht aus zwei wesentlichen Eingriffen. Zum einen wurden mit den Anbauten neue, grosszügige Wohnküchen geschaffen, zum anderen wurden die Fassaden energetisch saniert. Die Anbauten erforderten einige Eingriffe am Bestand. So wurden die Badezimmerfenster um die Hälfte verkleinert, Teile der Aussenwand abgebrochen und die gesamten Küchen inkl. aller Oberflächen ersetzt. Die energetische Sanierung beinhaltete die Dämmung von Fassaden und Estrichboden sowie den Ersatz von Fenstern und Aussentüren. Eine neue Holzfassade umfasst Anbauten und Bestand und bindet sie architektonisch zusammen. Die mit Schlammfarbe gestrichenen Schalungsbretter differenzieren jedoch im Farbton: Petrolblau geben sich die Anbauten als Addition zu erkennen.
Andere Bauteile mussten belassen werden, so die Zwischenbauten mit Waschküchen und Technikräumen. Die Gasheizung war erst kurz vor unserem Auftrag erneuert worden; hier wurden Szenarien für den zukünftigen Ersatz aufgezeigt. Die Heizleistung reduziert sich trotz Vergrösserung des Gebäudevolumens gegenüber dem Bestand aufgrund der guten Wärmedämmung.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Viele Akteure mussten in der Planung berücksichtigt und gleichzeitig die Kosten tief gehalten werden. Unser Anspruch war es, trotz dieser teilweise sehr politischen Prozesse eine gute und nachhaltige Architektur zu schaffen. In der Ausführung besonders herausfordernd war, dass die gesamten Bauarbeiten im bewohnten Zustand durchgeführt wurden. Als Bauleiter waren wir täglich mit den Bewohnenden in Kontakt und Anlaufstelle für allerlei Anliegen.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Viele! Zum Beispiel, dass es neben Ersatzneubauten und Totalsanierungen andere gute Möglichkeiten gibt, bestehende Bauten zu sanieren und einer zeitgemässen Nutzung zu überführen. Oder, dass das Thema Nachhaltigkeit gesamtheitlich zu betrachten ist: den Mieter:innen musste nicht gekündigt werden; Bestand wurde geschützt und Abbruch abgewendet; und mit einfachen technischen Lösungen wurde behutsam mit den finanziellen Mitteln umgegangen. So wurden die Küchen an gleicher Stelle und mit den bestehenden Anschlüssen gesetzt und die Anbauten mit einem zentralen Heizkörper, ebenfalls an der Stelle der bestehenden Anschlüsse, beheizt. Es stellte sich auch heraus, dass eine Unterkellerung der Anbauten deutlich weniger nachhaltig gewesen wäre, da diese mehr Aushub und den Einsatz von Beton mit sich gebracht hätte und zugleich unnötiger Kellerraum generiert worden wäre.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Durch die Bauherrschaft war Erfahrung mit der Sanierung anderer Liegenschaften vorhanden, die ihr auch die Grenzen bezüglich Wiedereinsatz bestehender Bauteile und Einbezug von Eigenleistung aufgezeigt haben. Von unserer Seite gab es keine grossen Vorarbeiten; wir konnten direkt ins Projekt starten. Im Vorprojekt zeigten wir dafür wiederum ein breites Spektrum an Varianten auf.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
Im Vordergrund standen eher Konzepte und Produkte als architektonische Bauwerke. Unter anderem gefiel uns der Einsatz von wiederverwendbaren Schraubfundamenten oder der behutsame Umgang mit Vorgefundenem, wie er beispielsweise vom Basler Baubüro In Situ gepflegt wird. Bleche und Rinnen wurden wiederverwendet, Platten aus alten Beständen der Bauherrschaft eingesetzt.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Ich wünsche mir als Architekt einen früheren Einbezug in die strategische Planung. Mit weiteren Liegenschaften derselben Bauherrschaft im Quartier wären gebäudeübergreifende Konzepte möglich gewesen, quasi die Entwicklung beider Strassenseiten als Ensemble. Grundsätzlich sind alle Beteiligten jedoch sehr zufrieden. Ich denke, das Projekt trifft einen Nerv der Zeit und zeigt auf, wie mit Bestandsbauten abseits von gross angelegten Totalsanierungen umgegangen werden kann.
Kennwerte Wolfmattweg
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m³ | 2'844 | 3'726 |
Geschossfläche (GF), m² | 948 | 1'242 |
Hauptnutzfläche (HNF), m² | 720 | 936 |
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | 12 | 12 |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 0 | |
BKP 2 Gebäude | 2'250'000 | |
BKP 4 Umgebung | 25'000 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 135'000 | |
BKP 9 Ausstattung | 0 | |
BKP 1-9, CHF | 2'410'000 | |
BKP 2, CHF/m³ GV | 600 | |
BKP 2, CHF/m² HNF | 2'400 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 187'500 | |
BKP 1-9, CHF/m³ GV | 650 | |
BKP 1-9, CHF/m² HNF | 2'570 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 200'830 | |
Energiebezugsfläche EBF, m² | 948 | 1'242 |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a | k.A. | |
Gesamtenergiebedarf (Heizwärmebedarf + Elektrizität), kWh/m²a | k.A. | |
Energieerzeugung | Gas | Gas |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV, SK, Umweltwärme), kWh/m²a | - | - |
Lüftungskonzept: | ||
Luftschallschutz Decke Di, dB (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | k.A. | |
Trittschallpegel Boden L', dB (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | k.A. | |
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Nachhaltigkeitslabel | - | |
Treibhausgasemissionen Erstellung und Betrieb gem. SIA 2040, THG (kg CO2-eq/m²a) | k.A. | |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | Nein | |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | Nein |
Eckdaten
Bauwerkname | Wolfmatten Arlesheim, Anbau und Sanierung |
Ort | Wolfmattweg 1,3,5,7,9,11 4144 Arlesheim |
Auftragsart | Direktauftrag |
Jahr der Fertigstellung | 2022 |
Baujahr Bestand | 1950 (Architektur: A. Gfeller, Basel) |
Bauweise | Bestand: Mischbauweise (Mauerwerk, Holzbalkendecken) Anbauten: Holzbau |
Bauherrschaft | Wohngenossenschaft Wolfmatten, Arlesheim |
Architektur & Bauleitung | Studio Balthasar Wirz, Architektur ETH SIA, Basel |
Fachplaner | Jürg Merz Ingenieur, Maispach (Tragwerk) Kuster+Partner AG, Münchenstein (Bauphysik) |
Spezialisten | Eicher+Pauli Liestal AG, Liestal (Bauphysik, GEAK) |