Bau des Monats 05/2023
Uhrenmanufaktur Zodiac
Der Architekt Cédric Schärer hat in Le Locle die ehemalige Uhrenmanufaktur Zodiac mit minimalen Eingriffen zu einem Wohnhaus mit 20 Alterswohnungen umgebaut. Mit der durchgehend weiss gestrichenen Fassade erscheint das 1956 erbaute und 1963 erweiterte Gebäude oberhalb des Bahnhofs vertraut und neu zugleich.
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Welches Ziel bezweckte das Bauvorhaben?
Es handelt sich um die Renovierung und die Umnutzung der ehemaligen Uhrenmanufaktur Zodiac zu Wohnungen mit einem Betreuungsangebot für ältere Menschen. Dadurch wird eine Wohnform ermöglicht, die zwischen dem selbstständigen Leben und einem Altersheim liegt.
Inmitten des von der Unesco geschützten Gebiets La Chaux-de-Fonds / Le Locle wurde das ursprüngliche Gebäude von Paul-André Davoine in zwei Schritten zwischen 1956 und 1963 erbaut. Davoine zeichnete überdies für zahlreiche hochwertige Bauten der Uhrenindustrie verantwortlich, darunter insbesondere die Rolex-Fabrik in Le Locle. Über die Instandsetzung hinaus erlaubte die Sanierung des Zodiac also auch den Erhalt eines Stücks Industriekultur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
War ein Abbruch jemals ein Thema? Wenn ja, weshalb wurde er verworfen?
Beginnend mit der Uhrenkrise in den 1970er Jahren wurde das Fabrikgebäude zusehends vernachlässigt, was sich nach dem Konkurs der Firma Zodiac in den späten 1990er-Jahren weiterzog und in eine Hausbesetzung mündete. Trotz des über viele Jahre fehlenden Unterhalts verfiel das Gebäude nicht vollends. Eine sorgfältige Untersuchung des Bestands (Sondierungen und Zustandsermittlungen) führte zum Schluss, dass die Substanz gesund genug war, um nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wieder genutzt zu werden.
Gibt es Qualitäten im Bestand, inkl. Aussenraum, die das Projekt beeinflusst haben?
Das Gebäude lehnt sich in die gekrümmten Höhenkurven eines steilen Hangs und überragt stolz den historischen Kern der Stadt Le Locle und die Umgebung. Die sorgfältig gestalteten Fassaden zeigen je nach Gebäudeteil einen unterschiedlichen Charakter: eine horizontale freie Fassadensprache im westlichen Teil und eine zarte vertikale Profilierung im östlichen Annex. Beide Teile sind durch exakt gleich grosse Fenster rhythmisiert.
Mit Ausnahme der Nebenräume handelt es sich um einen typischen Industriebau mit stattlichen Deckenhöhen und mittleren Spannweiten, der eine freie Grundrissgestaltung ermöglicht.
Wie gross war die Eingriffstiefe? Welche Bauteile wurden wie instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt?
Die Organisation des Gebäudes wurde überarbeitet, indem die vertikale Erschliessung um das Haupttreppenhaus herum gruppiert wurde, welches neu bis ins Dachgeschoss führt.
Die Nutzungsänderung erforderte eine vollständige Anpassung des Gebäudes an die Normen, insbesondere an die thermischen und schalltechnischen Standards, sowie die Barrierefreiheit. Nichtsdestotrotz ermöglichte eine sensible und gezielte Herangehensweise ein Minimum an Abrissarbeiten. Nur die veralteten Fenster wurden vollständig ausgetauscht. Im Geiste einer Guerilla-Methode wurde der Umbau insofern pragmatisch durchgeführt, als dass jede Situation as found im Hinblick auf ihre Wiederverwendung und nicht auf ihre Zerstörung betrachtet wurde. Um beispielsweise das feingliedrige Relief der Fassaden zu erhalten, wurde die Wärmedämmung von innen angebracht. Die Fassade wurde lediglich mit einer dünnen, weiss gestrichenen Putzschicht überzogen, um das Gebäude zu vereinheitlichen, zu abstrahieren und ihm seine majestätische Silhouette in der Skyline von Le Locle zurückzugeben.
Die Schalldämmung zwischen den Geschossen wurde mit einem schwimmenden Estrich hergestellt, was jedoch bei der bestehenden Treppe zu einem Höhenversatz bei den Ein- und Austritten führte. Um dies ohne Zerstörung oder Überlastung der bestehenden Treppe zu beheben wurde ― ähnlich einem Teppich ― ein gefaltetes Tränenblech zur Erhöhung über die Stufen gelegt. Zwischen zwei Wangen eingespannt bildet ebendieses Blech den letzten Treppenlauf ins Dachgeschoss.
Worin bestand die grösste Herausforderung?
Die Aufteilung in kleinere Wohnungen sollte weder der offenen industriellen Struktur noch dem gleichtönigen Rhythmus der Fenster widersprechen. Im Gegenteil, die neuen Typologien profitieren von den langen, schmalen Proportionen des Gebäudes. Alle Einheiten sind nach Süden ausgerichtet und bieten einen spektakulären Blick auf die sanften Hügel des Jura. Sie sind je um einen kompakten Kern aus Küche und Bad herum organisiert, welcher von der Fassade abgerückt ist. Dies reduziert die Bewegungen der Bewohner:innen auf ein Minimum und ermöglicht ihnen gleichzeitig, die ununterbrochene Weite der Wohnung zu erleben.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt gewonnen?
Der gezielte und pragmatische Ansatz, möglichst viel Substanz wieder nutzbar zu machen bzw. weiter zu verwenden, erfordert eine besondere Aufmerksamkeit, von der Planung bis zur Ausführung. Diese Arbeitsweise muss von allen Beteiligten ― einschliesslich der Bauherrschaft, der Behörden und vor allem der Unternehmen ― verstanden werden. Ein solcher Paradigmenwechsel ist nicht unbedingt selbstverständlich und muss sich erst durchsetzen, damit die Unternehmen ihn mittragen. Generell gesagt müssen sich also sowohl die Normen als auch die Mentalität noch weiterentwickeln.
Das Beispiel der abgehängten Decken veranschaulicht diese Haltung: Die meisten von ihnen bestanden schon vor dem Umbau und wurden bei der Veränderung von Trennwänden jeweils nur örtlich ergänzt. Wenn man genau hinsieht, erkennt man in gewissen Räumen abgehängte Decken, die mit unterschiedlichen Niveaus aufeinandertreffen. Dies erfordert von der Bauherrschaft eine Toleranz gegenüber unregelmässigen Oberflächen (beispielsweise mit Höhenversätzen) und von den Unternehmen die Bereitschaft, wesentlich mehr Geduld und Sorgfalt in die Ertüchtigung bzw. Reparatur zu stecken, als es ein rücksichtsloser Abbruch mit anschliessendem Wiederaufbau erfordern würde.
Welche Vorarbeiten wurden geleistet, bevor das Vorprojekt beauftragt wurde?
Dem Vorprojekt ging eine Machbarkeitsstudie voraus, die sowohl wirtschaftliche als auch programmatische (Bedarf in der Region) und typologische Aspekte untersuchte. Es wurde eine detaillierte Mass- und Zustandserfassung der Bauelemente durchgeführt, um die Substanz des Gebäudes zu erfassen. Ebenso wurde im Vorfeld die Schadstoffbelastung untersucht. Anhand dieser Grundlagen, die das eigentliche Programm bildeten, wurde dann das Vorprojekt durchgeführt.
Gab es Vorbilder/Referenzobjekte, an denen Sie sich orientiert haben?
Die Erfahrungen unseres Büros mit Umbauten verstärken, verfeinern und verändern sich mit jedem Projekt. Experimente und die Suche nach spezifischen Lösungen bilden ihren Nährboden.
Was würden Sie oder die Bauherrschaft rückblickend anders machen/angehen?
Die verstärkte Überprüfung bei gewissen Unternehmen, ob sie fähig sind, die an sie gestellten Anforderungen im Kontext der gewählten Interventionsstrategie zu verstehen.
Kennwerte der Uhrenmanufaktur Zodiac
Mengen, nach SIA 416 | vorher | nachher |
---|---|---|
Gebäudevolumen (GV), m³ | 6'794 | 6'860 |
Geschossfläche (GF), m² | 1'933 | 1'926 |
Hauptnutzfläche (HNF), m² | 1'175 | 1'437 |
Funktionale Einheiten (FE), Stk. | (Industrie) | 20 |
BKP 1 Vorbereitungsarbeiten | 230'000 | |
BKP 2 Gebäude | 3'765'000 | |
BKP 4 Umgebung | 52'000 | |
BKP 5 Baunebenkosten | 36'000 | |
BKP 9 Ausstattung | 3'000 | |
BKP 1-9, CHF | 4'086'000 | |
BKP 2, CHF/m³ GV | 550 | |
BKP 2, CHF/m² HNF | 2'620 | |
BKP 2, CHF/Stk. FE | 188'250 | |
BKP 1-9, CHF/m³ GV | 600 | |
BKP 1-9, CHF/m² HNF | 2'840 | |
BKP 1-9, CHF/Stk. FE | 204'300 | |
Energiebezugsfläche EBF, m² | 1'692 | 1'954 |
Heizwärmebedarf Qh, kWh/m²a | 260 | 56 |
Grenzwert Qh,li für Umbauten, kWh/m²a | 65 | 60 |
Heizwärmebedarf Qh, in % des Grenzwertes | 403 | 94 |
Gesamtenergiebedarf (Heizwärmebedarf + Elektrizität), kWh/m²a | 260 | 56 |
Energieerzeugung | Öl | Erdgas |
Eigenenergieversorgung erneuerbare Energie (PV, SK, Umweltwärme), kWh/m²a | 0 | 0 |
Art der erneuerbaren Energie | 0 | 0 |
Lüftungskonzept: | ||
Luftschallschutz Decke Di, dB (mind. ≥ 52.0 dB nach SIA 181) | k.A. | 55.0 |
Trittschallpegel Boden L', dB (max. ≤ 55.0 dB Umbau gemäss SIA 181) | k.A. | 48.0 |
In welchem Umfang sind Bauteile ertüchtigt worden? | ||
Musste eine massgebliche Reduktion beantragt werden? | Nein | |
Erfüllungfaktor αeff nach SIA 269/8 oder gem. Merkblatt SIA 2018 | k.A. | k.A. |
nach welcher Norm berechnet? | k.A. | k.A. |
Nachhaltigkeitslabel | - | |
Treibhausgasemissionen Erstellung und Betrieb gem. SIA 2040, THG (kg CO2-eq/m²a) | - | |
Wohnungszugänglichkeit gem. BEHIG? | 18/20 (90%) WG | |
Wohnungen vollständig behindertengerecht anpassbar? | 18/20 (90%) WG |
Eckdaten
Bauwerkname | Manufacture Zodiac |
Ort | Rue Bellevue 23 2400 Le Locle |
Auftragsart | Direktauftrag |
Jahr der Fertigstellung | 2020 |
Baujahr Bestand | 1956-1963 (Architektur: Paul-André Davoine) |
Bauweise | Beton, Hohlkörper- (1956) und Rippenplatten (1963) |
Bauherrschaft | Activa SA 2300 La Chaux-de-Fonds |
Architektur & Bauleitung | Cédric Schärer architecte 1005 Lausanne |
Fachplaner | Bauingenieur: SD Ingénierie Neuchâtel 2034 Peseux |
Spezialisten | Bauphysiker und HLSE-Ingenieur: Planair SA 2314 La Sagne, NE |